Miserikordias Domini, 26.04.2020

Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden. Halleluja!

1. Der Herr ist mein Hirte, Halleluja, es wird mir nichts fehlen, Halleluja!
2. Er führt mich zur Weide, Halleluja, zum quellfrischen Wasser, Halleluja!
3. Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürcht ich doch kein Unglück, Halleluja!
4. Denn du bist stets bei mir, Halleluja, dein Stab stützt und tröstet mich, Halleluja!
5. Ich fürcht keine Feinde, Halleluja, denn du hilfst mir siegen, Halleluja!
6. Erbarmen und Gutes, Halleluja, die werden mir folgen, Halleluja!
7. Und so werd ich bleiben bei dir allezeit in Jesu Namen in Ewigkeit.

Evangelium aus Johannes im Kapitel 10:
Jesus Christus sagt: »Ich bin der gute Hirt. Der gute Hirt ist bereit, für die Schafe zu sterben. Anders ist das bei einem, der die Schafe nur für Geld hütet. Er ist kein Hirt und die Schafe gehören ihm nicht: Wenn er den Wolf kommen sieht, lässt er die Schafe im Stich und läuft weg. Und der Wolf stürzt sich auf die Schafe und jagt die Herde auseinander. Denn so ein Mensch hütet die Schafe nur für Geld und die Schafe sind ihm gleichgültig. Ich bin der gute Hirt. Ich kenne die, die zu mir gehören, und sie kennen mich. Meine Schafe hören auf meine Stimme. Ich kenne sie und sie folgen mir. Ich gebe ihnen das ewige Leben. Sie werden in Ewigkeit nicht verloren gehen und niemand kann sie mir aus den Händen reißen.«

Liebe Schwestern und Brüder,

manche Sätze bleiben im Gedächtnis haften. Ein Satz, den ich vor über 30 Jahren von einer Mitstudentin hörte, hallt immer noch in meinen Ohren: „Bin ich ein Schaf?“ Das war nicht als echte Frage gemeint, eher ein Aufschrei: „Bin ich ETWA ein Schaf?“ Mir liegt die Gegenfrage auf der Zunge: „Warum denn nicht?“ Denn als erstes erscheint vor meinem inneren Auge beim Stichwort „Schaf“ Shaun, das Schaf, dieses lustige Tierchen. Shaun wirbelt das Leben seines irischen Bauern und dessen Hütehund gründlich durcheinander, weil es immer das Beste für seine Schafherde herausholen will. An Shaun, der Quelle kreativer Scherze, sehe ich: Ein Schaf ist ein sehr soziales Tier, mit enger Bindung an die eigene Herde. Es weiß ganz genau, wohin es gehört. Und weil ich an dieser Stelle auch sicher sein möchte, bin ich gerne ein Schaf.
Hat ein Schaf einen leibhaftigen Hirten, dann lernt es: Diesem Zweibeiner kann ich vertrauen; denn er will Gutes für mich, sorgt für mich, beschützt mich. Ich denke, dass dies eine tiefsitzende Sehnsucht ist, die uns allen innewohnt: Dass da jemand sei, bei der/dem ich geborgen und geschützt bin. Sicherlich, es gibt Phasen in unser aller Leben, da wollen wir genau das eben nicht. Der Lieblingssatz der 3Jährigen: „Kann alleine.“
Und doch, im hintersten Winkel des Herzens schlummert der Wunsch nach einem/einer, die mich zuverlässig hütet, wie der Hirte die Schafe hütet. Ich wärme und weide mich an dem schönen Bild, da durchzuckt es mich: Wann habe ich eigentlich einen Hirten mal leibhaftig gesehen? Während ich in meinem Gedächtnis krame, kommt in mir eine andere bange Frage auf: Und wo ist der Gute Hirte in meinem Leben gerade jetzt zu finden? Die Momente, da wir ihn lebendig unter uns spüren, die müssen in der Zeit der akribischen Hygienemaßnahmen versagt bleiben: Die Kindernachmittage sind bis Ende der Sommerferien ausgesetzt, Seniorenkreise, Konfirmationen, Ausflüge, Feste – verschoben, abgesagt, vertagt. Diese Zeit bringt uns alle an den Rand unserer Kräfte, unserer Geduld, unsres Vertrauens.
Ein bisschen fühle ich mich wie ein verlorenes Schaf. Aber dann setze ich mich am Sonntagmorgen in die geöffnete Kirche. Ja, der gemeinsame Gottesdienst fehlt, aber die Kerzen brennen, von draußen singen die Vögel herein, es kommt noch jemand dazu und auch ohne Händeschütteln fühlen wir uns umarmt von der Liebe Gottes und den guten Erinnerungen – und ich weiß, dass in vielen Kirchen Menschen ganz ähnlich sitzen, horchen, beten, singen, schweigen, und jetzt spüre ich: Wirklich, er ist hier bei mir, der Gute Hirte. Vielleicht habe ich das noch niemals zuvor in meinem Leben so deutlich gespürt, dass ER uns zuverlässig und stark begleitet und verbindet wie in dieser beängstigenden Zeit.

Also ich singe aus dankbarem Herzen das schlichte, aber treffliche Kinderlied mit:
„Wir haben einen Hirten, der ist uns Menschen gut,
der weiß wohl zu bewirten die Schafe seiner Hut.“


In diesem Sinne: Bleibt in SEINER Hut,

Pfarrerin Rahel Charlotte Mielke

Gebet:
Guter Hirte Jesus,
wacklig wie ein neugeborenes Lamm stehen wir auf unseren Beinen: Die Situation in unserem Land, die Lage in der weiten Welt verunsichern uns. Wir fühlen uns vereinsamt und mit vielen Fragen allein gelassen. Schenk uns wieder und wieder neu die Sicherheit des Vertrauens in dich!
Amen.