Jubilate, 03.05.2020

Der Herr ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden. Halleluja!

Evangelisches Gesangbuch 455:

Morgenlicht leuchtet

1. Morgenlicht leuchtet, rein wie am Anfang. Frühlied der Amsel, Schöpferlob klingt. Dank für die Lieder, Dank für den Morgen, Dank für das Wort, dem beides entspringt.

2. Sanft fallen Tropfen, sonnendurchleuchtet. So lag auf erstem Gras erster Tau. Dank für die Spuren Gottes im Garten, grünende Frische, vollkommnes Blau.

3. Mein ist die Sonne, mein ist der Morgen, Glanz, der zu mir aus Eden[a] aufbricht! Dank überschwänglich, Dank Gott am Morgen! Wiedererschaffen grüßt uns sein Licht.

Die Bibel beginnt mit diesen Worten:
Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Und die Erde war wüst und leer, und Finsternis lag auf der Tiefe; und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser. Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag. Und Gott sprach: Es werde eine Feste zwischen den Wassern, die da scheide zwischen den Wassern. Da machte Gott die Feste und schied das Wasser unter der Feste von dem Wasser über der Feste. Und es geschah so. Und Gott nannte die Feste Himmel. Da ward aus Abend und Morgen der zweite Tag. …
Und Gott sprach: Die Erde bringe hervor lebendiges Getier, ein jedes nach seiner Art: Vieh, Gewürm und Tiere des Feldes, ein jedes nach seiner Art. Und es geschah so. Und Gott machte die Tiere des Feldes, ein jedes nach seiner Art, und das Vieh nach seiner Art und alles Gewürm des Erdbodens nach seiner Art. Und Gott sah, dass es gut war. Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau. …
Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut. Da ward aus Abend und Morgen der sechste Tag.

Liebe Schwestern und Brüder,
ein Foto zeigt eine Hand und eine Kugel. Bei näherem Hinsehen entpuppt sich der kleine Ball als Weltenball. Kontinente, Meere, Wolken sind zu erkennen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, das Foto zu halten:
Die Hand ist unter dem Ball und hält ihn.
Die Hand ist über dem Ball, und es sieht so aus, als ließe sie ihn fallen.
Die Hand ist neben dem Ball, als würde sie ihn wegwerfen.
Ich drehe das Bild und probiere aus und stelle mir vor: Diese Hand auf dem Foto ist die Hand Gottes. Mich beschleicht die Befürchtung, dass wir das Bild so herum halten würden, als fiele die Welt aus Gottes Hand heraus. Die nicht enden wollenden Kriege an den viel zu vielen Orten auf unserer Erde. Die entfesselte Gier derer, die viel Macht, Einfluss, Geld besitzen. Die verwirrende, belastende Zeit der Pandemie. Alles das und noch mehr bestärkt den Eindruck, dass unser Planet der Hand Gottes entgleitet.
Die Worte, mit denen die Bibel beginnt, sind ungefähr 2500 Jahre alt. Die Schöpfungsgeschichte gehört damit zu den jüngeren Texten des Ersten Testamentes. Die Menschen, für die damals diese Zeilen aufgeschrieben wurden, hatten das Gefühl: Gott hat uns, Gott hat unsere Welt fallen lassen. Der eigene Staat: Zerschlagen. Die führenden Köpfe: Verschleppt. Das Volk: Verloren in einem zerstörten Land. Quälend steigt die bange Frage in ihnen hoch: Hält Gott, die Barmherzige uns noch oder stürzen wir gerade ins Bodenlose?
Auf diese Frage will die Schöpfungsgeschichte eine, sie will DIE Antwort geben. Ich finde, die wunderschöne, kunstvolle, wohl durchdachte Erzählung ist gründlich missverstanden, wenn ich meine, sie will wissenschaftlich erklären, wie die Welt entstanden ist. Ich ärgere mich immer ein bisschen, wenn Schöpfungsgeschichte und Wissenschaft gegeneinander ausgespielt werden.
Wie weise die Erzählung ist, merke ich bereits beim Lesen der ersten Sätze: Die Erde ist wüst, leer, lebensfeindlich, einfach nur schrecklich (In wem steigen da nicht die computeranimierten Bilder aus den ersten 3 Milliarden Jahren unseres Planeten auf?). Erst, als Gott die Bühne betritt, geht das Licht an, das Licht, in dem wir alles richtig erkennen können. Den chaotischen Wassermassen weist Gott ihren Platz zu. Wohlgemerkt: Sie bleiben. Die Mächte, die immer wieder das Leben bedrohen, werden durch Gott in Schach gehalten, wirbeln aber im Untergrund weiter, und manchmal brechen sie sich Bahn. So wie gerade jetzt. Die Bibel hält dagegen fest: „Trotzdem! Gott entgleitet nichts, schon gar nicht euer Leben, so chaotisch es euch vorkommt!“
Gott, die Barmherzige ruft alles ins Leben, Schritt für Schritt, nach einem sinnvollen Plan: Die Erde wird bevölkert als ein schönes, gut durchdachtes Zuhause für alle Geschöpfe. Am Ende erscheint der Mensch, eingebettet in Pflanzen, Tiere, Berge, Meer. Schon allein dieses Bild sollte uns zu mehr Demut gegenüber unseren Mitgeschöpfen anleiten. Das, was mich jedoch am meisten berührt, ist: Diese Mitschöpfung ist ein sichtbares, fühlbares, erfahrbares Zeichen für die Hand Gottes, die unter uns ausgestreckt bleibt und hält.
Aus Sicht der Bibel geht das Foto also nur so: Die Hand Gottes ist unter dem Erdenball und hält uns alle.
Ich sehe das Sonnenlicht durch die Maitriebe der Fichte blitzen. Ich atme den Duft der warmen Erde. Ich höre den grandiosen Gesang der Nachtigall. Das ist nicht banal. Da ist nicht nur Biologie. Das ist fühlbare Botschaft: Gott hält mich.
Und es ist DER Grund zum Jubeln.

Herzlichst,

Pfarrerin Rahel Charlotte Mielke

Gebet:
Gott, Hilfe zum Leben,
es sind so viele Fragen in uns, Ungeduld, Zweifel. Diese Wochen bringen uns an den Rand dessen, was wir aushalten können. Manchmal ist es wie in dem bösen Traum: Fallen und fallen und nicht aufgefangen werden. Das Mittel dagegen: Erzählen von Deinen Wundern, den kleinen, den großen, die uns begleiten, die wir sehen und die wir be-greifen können. Erinnere uns daran!
Amen.